30 Jahre Internet: Ein offener Brief von WWW-Erfinder Tim Berners-Lee
Manch einer wird es eventuell heute irgendwo gelesen haben, den meisten dürfte die Bedeutung des 12. März in der Computer-Geschichte jedoch nicht wirklich bewusst sein. Heute vor exakt 30 Jahren, am 12. März 1989 präsentiert ein gewisser Tim Berners-Lee in einem Vortrag erstmals seine Idee eines "World Wide Web". Es war gewissermaßen die Geburtsstunde des Internets, welches spätestens seit Beginn des neuen Jahrtausends seinen Siegeszug auch im privaten Bereich antrat. Damit strafte es dann auch endgültig einen gewissen Bill Gates Lügen, der noch 1993 sagte: "Das Internet ist nur ein Hype." Heute, 30 Jahre später kennen wir erstens die Wahrheit, sehen uns aber zweitens auch jeder Menge Herausforderungen gegenüber, damit das Internet auch in den kommenden Jahren noch das bleibt, was es aktuell ist.
Dies hat auch Berners-Lee erkannt, der auf genau diese Herausforderungen zum heutigen Jahrestag in einem lesenswerten offenen Brief unter dem Titel "30 years on, what’s next #ForTheWeb?" hinweist. So mahnt der Erfinder des WWW, dass der heutige Tag nicht nur ein Anlass zum Feiern sei, sondern auch dazu, sich Gedanken über die Zukunft des Internets zu machen. Das WWW sei heute deutlich mehr als er es sich selbst jemals erträumt hätte, so Berners-Lee. Es ist Lexikon, Marktplatz, Bibliothek, Kino, Büro, Bank und vieles mehr. Dies gelte zumindest für die meisten Menschen. Gleichzeitg vergrößere sich aber auch mit jedem neuen Dienst die Kluft zwischen denen, die das Web nutzen können und jenen, denen es nicht zur Verfügung steht. Daher fordert Berners-Lee, dass die Techologiewelt daran arbeiten soll, das Web für jedermann verfügbar zu machen.
Doch da wo Licht ist, gibt es immer auch Schatten und so legt der Vater des WWW zum heutigen Anlass auch den Finger in die Wunde und weist auf die negativen Aspekte der weltweiten Vernetzung hin:
- Vorsätzlich böse Absichten, wie von Staaten initiierte oder geförderte Hacking-Angriffe, kriminelle Machenschaften und Cyber-Mobbing.
- Ein Systemdesign, das perverse Anreize schafft und in dem der Mehrwert für den Nutzer geopfert wird, wie beispielsweise durch auf Werbung basierende Monetarisierungsmodelle, die Clickbait und Fake News fördern.
- Unbeabsichtigte negative Folgen, die beispielsweise zu einem empörten und polarisierten Ton führen und die Qualität des Online-Diskurses mindern.
Berners-Lee ruft zum Gegensteuern dieser Entwicklungen vor allem auch die Regierungen der Welt auf, um Gesetze und Regeln zu erlassen, um das Web nicht in eine negative Richtung driften zu lassen. Doch auch die Nutzer nimmt Berners-Lee in die Pflicht. Sie können den Fortbestand des WWW dahingehend beeinflussen, indem sie Politiker wählen, die für das freie und offene Web stehen, was wohl auch als Seitenhieb gegen US-Präsident Donald Trump zu verstehen ist, der die Netzneutralität in den USA zugunsten wirtschaftlicher Interessen weitestgehend außer Kraft setzen möchte. Auch der inzwischen schon beinahe berühmt-berüchtigte Artikel 13 der geplanten EU-Urheberrechtsreform dürfte in diese Kategorie fallen.
Berners-Lee kommt zu dem Schluss, dass in den vergangenen 30 Jahren viel erreicht wurde, man sich jedoch nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen soll. Oder wie er es ausdrückt: "If we give up on building a better web now, then the web will not have failed us. We will have failed the web."