Jun 7: Kommentar: Entwickler mit zunehmendem Unmut wegen Apples "Sherlocking"-Strategie
Gestern Abend hatte ich kurz über Apples Vorstellung von "SF Symbols" berichtet, einer Icon-Sammlung, mit der Apple das Erscheinungsbild von Drittanbieter-Apps im AppStore vereinheitlichen möchte. Während ein einheitlicher Look der Apps sicherlich zu begrüßen ist, betrachte ich Apples Ansatz hier mit gemischten Gefühlen, die allerdings auch aus anderer Richtung meiner Tätigkeit als iOS-Entwickler herrühren. So verdichtet Apple hier einmal mehr einen Markt, der von verschiedenen Designern bisher genutzt wurde, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ich habe beispielsweise, wie verschiedene mir bekannte Entwickler auch, die Icons für meine Apps bislang über Glyphish bezogen. Mit der Einführung von "SF Symbols" dürfte dort nun eine erhebliche Einnahmequelle wegbrechen.
Eine Entwicklung übrigens, die derzeit übrigens schon beinahe dramatisch über den Design-Markt hinausgeht. Dabei müssen wir uns gar nicht allzuweit zurückerinnern. Vor wenigen Wochen sorgte Apple für negative Schlagzeilen, als man verschiedene Apps aus dem AppStore entfernte, die bislang eine ähnliche Funktionalität boten, wie Apple mit der "Screentime"-Funktion in iOS 12 einführte. Die meisten dieser Apps waren allerdings schon vor iOS 12 verfügbar, was dem Entfernen nach der Einführung der eigenen Screentime-Funktion mit Verweis auf Datenschutzprobleme bei den Drittanbieter-Apps ein deutliches G'schmäckle verlieh. Ein öffentlichkeitswirksamer Aufschrei der Entwicklergemeinde, inkl. prominenter Unterstützung des "Vater des iPod" Tony Fadell sorgte bei Apple inzwischen offenbar für ein Umdenken.
Doch die Entwicklung schreitet auch an anderen Stellen weiter fort, so unter anderem auch bei der neuen "Sidecar"-Funktion in macOS Catalina, die das iPad zu einem Zweitdisplay für den Mac macht. Auch diese Idee ist nich neu und wurde in der Vergangenheit bereits von Drittanbietern wie Duet Display und Luna Display umgesetzt. Beide Unternehmen wurden in den vergangenen Jahren mühsam aufgebaut und haben sich einen exzellenten Ruf erarbeitet. Ab Herbst müssen sie nun allerdings mit einem übermächtigen Gegner konkurrieren, der ihre Produkte nun direkt in sein Betriebssystem integriert und somit quasi überflüssig macht. Das Problem dabei ist, dass hierdurch nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch ganze Existenzen bedroht sind. Apple sägt damit quasi am Stuhl der Entwickler, die man eigentlich unterstützen sollte.
Inzwischen hat sich in der Entwicklergemeinde zu Apples vorgehen sogar ein Wort für dieses Vorgehen festgesetzt, man redet vom sogenannten "sherlocking". Dieses rührt von einer Entwicklung in den frühen 2000er Jahren her, als Apple ein Suchtool namens "Sherlock" besaß. Die Entwickler von Karelia Software nahmen dies als Basis für eine Websuchmaschine namens "Watson", die sich damls durchaus größerer Beliebtheit erfreute. Wenig später verbaute Apple exakt diese Funktionalität in eine neue Version von Sherlock, was das Ende von Watson bedeutete.Grundsätzlich ist den meisten Entwicklern seither bewusst, dass ihr Produkt irgendwann dasselbe Schicksal ereilen könnte wie einst Watson. Wenn es dann aber soweit ist, tut es doch spürbar weh und treibt ihnen die Sorgenfalten auf die Stirn. Zwar muss die Apple-Umsetzung nicht zwangsweise das Ende des eigenen Produkts bedeuten, das Leben einfacher macht sie aber definitiv nicht, wie auch die Entwickler von Duet Display und Luna Display gegenüber den Kollegen von AppleInsider berichten.
Beide sind der Ansicht, dass Apple ihre Produkte ein stückweit zur Marktsondierung benutzten. Die Entwickler von Luna Display berichten gar, dass Apple sie noch vor zwei Jahren eingeladen hatte, um ihr Produkt dem iPad-Team zu präsentieren. Duet Display versucht dabei noch das Positive zu sehen. So habe das Beispiel Spotify gezeigt, dass es möglich ist, auch gegen eine native Lösung von Apple, in diesem Fall Apple Music zu bestehen. Allerdings hat Apple auch Zugriff auf sogenannte private APIs, die den Entwicklern von Drittanbieter-Lösungen eben nicht zur Verfügung stehen. Auch hier liegt der Vorteil also klar auf Seiten Apples.
Ein weiteres Beispiel ist die App PCalc von James Thomson, die auf der Apple Watch bislang die State-of-the-Art Lösung für eine Taschenrechner-App war. Ab watchOS 6 im Herbst wird sie sich dort nun gegen Apples eigene Taschenrechner-App behaupten müssen. Thomson sieht darin allerdings eher Vor- als Nachteile. So hat er bereits Erfahrung damit, mit Apple zu konkurrieren, da PCalc auch unter iOS und macOS abngeboten wird und trotz der vorinstallierten Taschenrechner auch dort gute Erlöse erzielt. Zudem ist Thomson ein äußerst kreativer Kopf, der immer wieder Wege findet, ein besonders gutes Nutzererlebnis in seinen Apps anzubieten und PCalc beispeilsweise auch auf dem Apple TV sinnvoll nutzbar gemacht hat. Entsprechend macht er sich aktuell noch wenig Sorgen um seinen Lebensunterhalt: "Apple's calculator is a pretty simple app and I'm not too worried it's going to have much of an effect on our sales."
Und ja, last but not least bin auch ich auf der diesjährigen WWDC von Apple "gesherlocked" worden. So haben sich die Gerüchte bewahrheitet, dass Apple mit iOS 13 und iPadOS 13 erstmals auch die Möglichkeit anbieten wird, neue Schriftarten im System zu installieren. Eine Funktion also, die seit 2014 einigermaßen exklusiv von meiner App AnyFont (€ 2,29 im AppStore) übernommen wurde. Laut Apple soll es mit iOS 13 und iPadOS 13 nun möglich werden, neue Schriftarten direkt aus dem AppStore und über das Betriebssystem zu installieren. Auch wenn hiervon in der ersten Beta noch nicht wirklich viel zu sehen ist, könnte diese Weiterentwicklung auch für mich ein Schlag ins Kontor werden. In meinem Falle wäre dies zu verschmerzen, da ich das App-Entwickeln lediglich als Nebenjob betreibe. Eine erhebliche Einnahmequelle würde in dem Fall aber auch bei mir wegbrechen.
Ich halte es dabei allerdings ein wenig wie James Thomson und hoffe, dass sich auch weiterhin eine Nische für meine App findet. Aus diesem Grunde wird auch in den kommenden Tagen ein größeres Update erscheinen, welches aus dem ehemaligen Schriften-Installer eine vollwertige Schriftartenverwaltung auf dem iPhone und dem iPad macht. In der Hoffnung, dass Apple demnächst nicht auch diese Funktionalität sherlockt.
Kommentare: (11) Trackback: (1)
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#1.1 - Meik 07.06.2019 08:32 - (Antwort)
Ganz so einfach ist das bei Software nicht. Sonst könnte es ja auch keine unzähligen PDF Reader geben...
#1.1.1 - Boris 07.06.2019 08:40 - (Antwort)
Apple hat nie etwas anderes gemacht als fremde Ideen als seine zu verkaufen
#2 - VBMichi 07.06.2019 09:06 - (Antwort)
Ich finde das alles zwar schlimm für die Entwickler, aber eine ganz normale Entwicklung. Alle Apps und Tools die betroffen sind, sind extrem betriebssystemnahe. Dass Apple hier weiterarbeitet und sicher auch prüft, was der Markt braucht (sei es über Apps oder Konkurrenz) ist völlig normal. Ich möchte nichts beschönigen und kann mir vorstellen wie schlimm das für den einzelnen Entwickler ist, aber Apple muss iOS auch um Funktionen erweitern, die bspw. Android oder Windows längst hat. Das einzige was ich bemängle ist, dass die jeweiligen Entwickler nicht kontaktiert und aufgefangen werden.
#2.1 - Watishierlos 07.06.2019 09:45 - (Antwort)
Genau das hab ich leider auch gedacht.
Sonst könnte man auch sagen, dass Apple gar keine neuen Funktionen mehr implementieren darf, da ja sonst andere leiden.
Ja was denn nun? Sollen sie neue Sachen bringen oder soll das OS ewig bei einem Stand stehen bleiben?
Irgendeiner muss immer leiden, aber wäre ich Apple, dann würde ich dich auch gucken, dass ich mich weiterentwickel
#2.2 - Kingfisher 07.06.2019 11:00 - (Antwort)
So sehe ich das auch. Systemnahe Tools unterliegen immer diesem Risiko. Das ist zwar hart für die Entwickler, aber das Risiko ist ja nicht unbekannt.
#2.3 - Pascal 07.06.2019 17:33 - (Antwort)
Sehe ich auch so. Ansonsten würde es heute noch keine Video-Aufnahmen in iOS geben, denn auf den ersten iPhones war man hierfür auf zusätzliche Apps angewiesen, die inzwischen fast alle wegrationalisiert (gesherlockt) wurden.
#3 - Anonym 07.06.2019 12:14 - (Antwort)
Fun fact. der Entwickler von duatDisplay hat bei apple gearbeitet und wollte die Funktion in ios integrieren, was ihm damals verboten wurde ;)
#4 - SOE 07.06.2019 16:13 - (Antwort)
Heuchel fact:
Auch duet display Hat in den letzten Jahren Funktion von kleineren Konkurrenten übernommen, um sich am Markt zu behaupten und sich vor Konkurrenz zu schützen.
Ja, man jammert eben immer dann, wenn man selbst betroffen ist, ansonsten ist alles toll.
Es liegt am Nutzer - dazu zählst auch du Flo - soll Apple neue Funktion bringen (wie sie Drittanbieter oder die Konkurrenz haben), oder nicht?
#5 - Marko 07.06.2019 18:18 - (Antwort)
Sehr guter Artikel - sehr ausgewogen geschrieben!
Danke dafür.
#6 - Jimbo 07.06.2019 18:49 - (Antwort)
Als Softwareentwickler muss man halt breit aufgestellt sein.
Man darf halt nicht alles auf eine Karte setzen,
man muss immer damit rechnen dass was passiert.
Wenn man gut ist, findet man halt bei ner anderen Firma nen Job oder man hat ne andere Idee und setzt sich dahinter...
Ich hatte kürzlich bereits in meinem Kommentar zu Apples "Sherlocking"-Strategie angedeutet, dass mit iOS 13 bzw. iPadOS 13 auch meine eigene App AnyFont (€ 2,29 im AppStore) hiervon betroffen sein dürfte. Gleichzeitig hatte ich seinerzeit angekündigt, da
Aufgenommen: Jun 11, 11:00